
„Für mich ist das größte Vergnügen, gute, ausgewählte Bücher zu lesen, Gemälde hervorragender Meister sowie verschiedenartige Münzen zu sammeln. Aus ihnen lerne ich, edler zu werden, um dadurch der Gesellschaft besser zu dienen“. Ein unbedarfter Regent ist Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin, der seine Bildungsziele mit diesen Worten umschrieben hat, sicher nicht gewesen. Wenn es nur mit dem finanziellen Hintergrund besser bestellt gewesen wäre….! Schon in jungen Jahren hat er Bildungsreisen durch Europa unternommen und ein Studium an der Universität Rostock absolviert, ehe er die Herrschaft angetreten hat. Der Umstand, dass es bisher keine brauchbare Landesbeschreibung und keine Karte von Pommern gab, veranlasste ihn, einen entsprechenden Auftrag zu vergeben – eine „Pomeranographie“ sollte entstehen. Die Beschreibung sollte sein Hofrat Jurga Valentin von Winter verfassen, die Karte hat der Rostocker Professor Eilhard Lubin (latinisiert Lubinus) aufgenommen und gezeichnet. Der schriftliche Teil blieb durch den frühen Tod des Hofrats unvollendet und es haben sich nur wenige Fragmente erhalten. Die Karte aber hat überdauert und gilt als ein frühes Meisterwerk der Kartographie. Lubinus verkörperte das Ideal eines Universalgelehrten: Er war ein ausgezeichneter Mathematiker, galt als Literaturexperte, sein Griechisch-Wörterbuch erlebte 11 Auflagen, er hatte eine Professur für Theologie inne und stand der Universität Rostock als Rektor vor. Die Geographie war für ihn also eher ein geliebtes „Steckenpferd“, für das er keine Mühe scheute. Seine Rügenkarte, die er im Auftrag des Wolgaster Herzogs Philipp Julius zeichnete, war bereits viel mehr als eine Talentprobe. Alle Karten, die in den folgenden 150 Jahren von der Insel gezeichnet wurden, nehmen auf sein Werk Bezug. So ist es kein Wunder, dass die Wahl des Stettiner Herzogs auf ihn viel. Ab 1611 sammelte Lubinus alles verfügbare Detailmaterial und reiste anschließend ein Jahr lang durch Pommern. Dabei besuchte er 152 Orte und legte 1500 Kilometer zurück. Alle herzoglichen Beamten und die örtlichen Würdenträger waren verpflichtet, ihn nach Kräften zu unterstützen. Als wäre seine Aufgabe nicht schon anspruchsvoll genug, erhielt Lubinus 1614 noch den Zusatzauftrag, Ansichten aller Städte, die Wappen der pommerschen Adelsfamilien und den Stammbaum der Herzöge auf dem Kartenblatt unterzubringen. Jahre vergingen, bis Lubinus die entsprechenden Vorlagen eintreiben konnte. 21 Adelsfamilien erwiesen sich als notorische ‚“Schlamper“ – ihre Wappenkartuschen blieben leer. Die so entstandene Verzögerung der Kupfersticharbeiten, die Nikolaus Geelkercken in Amsterdam besorgte, führte letztlich dazu, dass Herzog Philipp II., der 1618 verstarb, das fertige Werk nicht mehr zu sehen bekam. Lubinus hat sich auf der 1,25 m auf 2,21 m großen Karte mit damals gebräuchlichen Meßinstrumenten wie dem Astrolabium, dem Jakobsstab und einem Quadranten erewigt (siehe Abb.). Die Dankbarkeit des pommerschen Herzogshauses ihm gegenüber hielt sich im Übrigen in Grenzen: Erhalten geblieben ist ein Briefwechsel, in dem Lubinus ausstehenden Lohn einfordert. Bei der prekären Finanzlage des Greifengeschlechts wird sich darüber niemand wundern.

Welche Orte Lubinus im Tollensewinkel besuchte, ist bisher nicht ermittelt worden. Sicher hat er sich in Treptow an der Tollense aufgehalten und dort viele topographische Details von den örtlichen Amtsträgern in Erfahrung gebracht. In unserem Bereich erfasste er die großen Waldgebiete zwischen Reinberg und Treptow, das heute auf einen kleinen Rest geschrumpfte Waldgebiet südlich von Wolkow und Wildberg sowie den heutigen Wildberger Forst. Der Kastorfer See ist deutlich nach Süden „verrutscht“ – es könnte aber auch sein, dass Lubinus mit dem abgebildeten großen See den Verbund von Kastorfer und dem noch wenig verlandeten Gädebehner und Möllner See erfasste. Eingezeichnet ist auch der Mühlenbach – allerdings eingebettet in ein „Fließgewässernetz“, das sich uns nicht mehr ganz erschließt.
Der Tollensewinkel auf der Lubinschen Karte (Ausschnitt)

© Gerhard Fink